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Magazin: Blog2
AutorenbildThomas Hauser

Hundebisse: Verhalten interpretieren, Risiken mindern.

Aktualisiert: 19. März


Zurecht stehen in Zeitungsartikeln über Hundebisse die Opfer - viel zu oft handelt es sich um Kinder - im Mittelpunkt. Gleich danach liegt das Hauptaugenmerk der Berichterstattung aber auf der Hunderasse, welcher der "Täterhund" angehört. Lassen wir die Frage nach der Zugehörigkeit zu dieser oder zu jener Rasse, zu "Kampfhund" oder "Nichtkampfhund" einmal außer acht. Beschäftigen wir uns lieber mit der Frage, wann, wie und unter welchen Umständen Hunde zuweilen leider auch manchmal zubeißen.



Viel zu oft kommt es vor, dass unbeteiligte Passanten von einem plötzlich auf dem Weg auftauchenden Hund gestellt werden. Das ist nicht ungefährlich und in jedem Fall eine Zumutung. Das berühmte: "Der tut nichts!" von Seiten des vollkommen verantwortungslosen Halters des freilaufenden Hundes trägt da auch eher wenig zur Deeskalation bei. Der Hund stellt den Passanten nicht zum Spaß oder weil er so ein lustiger Kerl ist oder er ein bisserl schmusen möchte. Ein Hund. der einen unbeteiligten Passanten stellt, zeigt damit ganz klar agonistisches Verhalten. Ob ein Hundehalter, der dies nicht erkennt oder ignoriert dann auch der Hundehalter ist, der seinen Hund aus dieser Situation abrufen kann, darf bezweifelt werden..

Trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit, von einem Hund, der einem bekannt ist gebissen zu werden, ungleich höher. Vor allem betrifft das Haushaltsmitglieder des Halters bzw. den Halter selbst sowie Menschen, welch im Haushalt des Hundehalters zu Besuch sind. Leider sind die Opfer meistens Kinder. Ziel solcher Beißattacken ist dabei häufig Kopf und Hals des Kindes und die Verletzungen sind dementsprechend schwer und entstellend.


Was beinahe alle dieser tragischen Fälle gemeinsam haben, ist weniger die Hunderasse, als der Mangel an Kontrolle, welche die Halter auf ihre Hund auszuüben imstande sind. Leider tendieren gerade psychisch labile Hundehalter mit mangelndem Selbstwertgefühl häufig zu besonders großen und kräftigen Hunderassen, um dieses persönliche Manko durch ihren Hund zu kompensieren (selbstverständlich kann man NICHT automatisch von einem großen Hund auf einen labilen Halter schließen). Diese Art von Hundehalter ist dann aufgrund ihrer Labilität nur sehr eingeschränkt dazu in der Lage, solche Kraftpakete entsprechend psychisch zu kontrollieren. Auslöser für die Beißattacke in diesen Fällen ist meistens, dass der Hund versucht, seinen vollkommen überforderten Halter zu verteidigen. Diese Erkenntnis nützt dem Opfer einer solchen Beißattacke freilich nur wenig.


Daneben gibt es aber noch eine ganze Reihe von weiteren Gründen, die einen Hund zum Zubeißen veranlassen können:



Frustbiss

Wenn ein Hundetrainer einmal einen Biss kassiert, dann handelt es sich meistens um einen Frustbiss. Grund für die Frustration des Hundes ist immer eine Überforderung. Gerade intelligente, gelehrige und reaktive Hunde, die sonst keinerlei Aggressionen zeigen, sind im Training mit besonderer Vorsicht hinsichtlich des Überschreitens der Frustrationsgrenze zu behandeln. Der Frustbiss wird gesetzt, wenn der Trainer etwas vom Hund erwartet, was dieser einfach noch nicht verstanden hat. Ein aufmerksamer, erfahrener Hundetrainer wird einen solchen Fruststau erkennen und die Situation entschärfen, indem er dem Trainee rechtzeitig ein Erfolgserlebnis verschafft.



Ein bloßer "Abwehrbiss" wird meistens mit den Fangzähnen gesetzt und tut wirklich weh. Richtig gefährlich wird es, wenn bei einem "Angriffsbiss" auch die etwas weiter hinten im Kiefer sitzenden Reißzähne (die sogenannte P4/M1-Brechschere) zum Einsatz kommen.



Abwehrbiss

Ein Abwehrbiss stellt für das sich verteidigende Tier ein schwer einschätzbares Risiko dar und dementsprechend ungern wird es sich darauf einlassen. Wenn die Situation es dem Hund erlaubt, wird er eine ganze Kette von Beschwichtigungssinalen zeigen, bevor er zur Ultima Ratio des Bisses greift.

Worin diese "Calming Signals" bestehen, kann man sich gut in einer Zeitlupenstudie mit Kommentar meines hervorragenden Kollegen Bernd Köhler vor Augen halten (keine Angst, niemand wird dabei gebissen):


Angriffsbiss

Wer in das Gebiet eines territorial veranlagten Hundes eindringt, hat mit einem Angriffsbiss zu rechnen. Leider trifft das nicht nur Einbrecher, Gauner und sonstige Schlingel, welche sich erfrechen, über den Zaun zu springen. Mir selbst ist etwas derartiges schon zugestoßen, als ich irrtümlicherweise in das Territorium eines freilaufenden Bernhardiners eingedrungen bin. Ein Hund fasst die Grenzen seines Territoriums meistens weiter, als der Gartenzaun reicht. Langsam und die ersten einhundert Meter im Rückwärtsgang habe ich mich von diesem beindruckenden Kraftpaket entfernt. Nur "Hundeverstand" und wahrscheinlich sehr viel Glück haben mich damals in den verschneiten kärntner Bergen vor einem Angriffsbiss bewahrt. Der Bernhardiner hätte wohl im Ernstfall keine Gefangenen gemacht.

Natürlich ein Symbolfoto. Für Aufnahmen hatte ich nicht den Nerv!

Diesen Hund frei herumlaufen zu lassen, war mehr als nur fahrlässig. Dem Hund selbst ist kein Vorwurf zu machen, er hat getan, wofür er (unter anderem) selektiert wurde.




"Berechtigter" Biss

Es gibt noch weitere Formen des "berechtigten" Bisses. "Berechtigt" aus der Sicht des Hundes bedeutet, dass der Hund sämtliche Regeln der Hundeetikette eingehalten hat, nach einer Kette von "Calming Signals" korrekt mit Knurren und Zähnefletschen gewarnt hat und mit alldem auf Unverständnis gestoßen ist. Wird der Hund dann noch weiter in die Enge getrieben, dann beißt er eben zu. Besonders häufig sind es leider unzureichend beaufsichtigte Kinder, welche derartige Bisse kassieren. Besonders heikel ist es, wenn Kleinkinder auf der selben Ebene wie der Hund herumkrabbeln. Ein Kind in diesem Alter lernt gerade, den Gesichtsausdruck von Menschen zu interpretieren und ist mit dem Ausdrucksverhalten von Hunden natürlich überfordert. Ein Zähnefletschen wird es sehr wahrscheinlich als Lachen interpretieren. Der bekannte deutsche Hundetrainer und Spaßvogel Martin Rütter erklärt das in diesem Auszug aus seinem Programm "Freispruch" sehr anschaulich und dazu recht unterhaltsam.



Prävention

Was man tun kann, um gefährliche Situation zu vermeiden bzw. eine solche nicht weiter eskalieren zu lassen:

  • Einem Hund, der versucht, sich zurückzuziehen, niemals nachsetzten

  • Einem Hund nicht in die Augen starren. Das wird von Seiten des Hundes als agonistisches Verhalten interpretiert

  • Einen Hund nicht ohne Zustimmung des Halters streicheln

  • Sich dem Hund nicht von hinten nähern, ihn nicht von hinten berühren und nicht erschrecken

  • Wenn man von einem Hund auf neutralem Boden gestellt wird, stehen bleiben und dem Hund nicht in die Augen schauen.

  • Wenn man im Territorium des Hundes gestellt wird, entfernt man sich am besten langsam und im Retourgang. Auch wenn die Versuchung groß ist: Nicht laufen!

  • Keine Lautäußerungen. Dem Hund zu erklären, dass er eh ein braver Hund ist oder den Hund anzuschreien ist fast immer kontraproduktiv.

  • Der dümmste Rat, den man leider zuweilen hört wäre es, sich flach auf den Boden zu legen

Was bleibt, ist die Feststellung, über fremde Hunde nur sehr wenig Kontrolle zu haben. Worüber man die Kontrolle hat, ist aber der eigene Hund - und sei es nur durch Beißkorb und Leine!


In Situationen, in denen Unsicherheit oder Fragen bestehen, kann die Unterstützung eines erfahrenen Hundecoachs von unschätzbarem Wert sein. Ein kompetenter Coach kann helfen, das Verhalten Ihres Hundes besser zu verstehen und individuelle Lösungen für Ihre spezifischen Anliegen zu entwickeln. Zögern Sie daher nicht, sich bei Bedarf an einen qualifizierten Hundecoach zu wenden. Gemeinsam können wir dazu beitragen, ein harmonisches Zusammenleben zwischen Mensch und Hund zu fördern und das Risiko von Zwischenfällen zu minimieren.





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