Jeder Hundehalter kennt den fragenden Blick mit schief gehaltenem Kopf. Vorwiegend tut der Hund das, wenn man mit ihm spricht. Doch warum macht er das eigentlich? Die beiden Erklärungen, die man dazu im Web und auch von Fachleuten erhält, haben eines gemeinsam: Sie sind unlogisch bis hanebüchen.
Der Hund sieht so besser
Angeblich ist dem Hund seine Schnauze im Weg und er neigt den Kopf, um sein Gegenüber besser sehen zu können. Das ist ganz offensichtlich Unsinn. Richtig ist schon, dass die Schnauze (wie auch die menschliche Nase) einen großen Raum im Gesichtsfeld einnimmt und somit einen beinahe blinden Fleck darstellt (obwohl man seine Nase ständig im Blick hat, nimmt man sie im Alltag nicht bewusst wahr).
Nun befindet sich aber auch ein sehr großer Hund meistens unter der Blickebene des Halters. An obigem Portrait eines Berger Blanc Suisse wird deutlich, dass der Hund in dieser Situation von seiner Schnauze ganz offensichtlich nicht beeinträchtigt wird.
Der Hund hört besser
Diese Theorie beruht auf der überholten Ansicht, dass Hunde zwar besser hören als Menschen, dafür aber Geräuschquellen weniger gut orten können. Jedem, der schon einmal einen Rattler bei der Arbeit beobachtet hat, ist klar, dass das Unsinn ist. Der Hund hört nicht nur besser, er kann auch Geräuschquellen besser orten als der Mensch.
Dazu kommt, dass in Situationen, in welchen Hunde ihren Kopf schief legen, der Halter meist direkt vor ihnen steht und sich eine weitere Ortung der Geräuschquelle erübrigt.
Neue Erkenntnisse
Eine befriedigende Erklärung liefern die britischen Wissenschaftler Victoria F. Ratcliffe und David Reby von der University of Sussex in einem Artikel in "Current Biology".
Deren Erkenntnisse beruhen auf Versuchen mit jeweils 25 Hunden. Diesen wurden Tonspuren vorgespielt und zwar zeitgleich auf beiden Hörorganen. Auf der Aufnahme betonten sie jeweils eine Aspekt besonders stark, entweder einen Befehl, der den Hunden bekannt war oder eine akustische Information, die dazu geeignet war, dem Hund Aufschluss über die emotionale Verfasstheit des Sprechers zu geben.
Diese beiden Gruppen von Informationen werden in verschiedenen Gehirnhälften verarbeitet. Da sich die beiden Hörbahnen auf ihrem Weg in den auditiven Cortex (das Hörzentrum in der Großhirnrinde) überkreuzen, wird der Höreindruck auf der jeweils gegenüberliegenden Hirnhälfte des höraktiven Ohres verarbeitet.
Nun macht es Sinn, wenn der Hund einmal das eine und dann wieder das andere Ohr in die bessere Hörposition bring.
Fazit:
Verarbeitet ein Hund ein bekanntes "Kommando" wie beispielsweise "SITZ", dann dreht er den Kopf mit einer Wahrscheinlichkeit von 80% nach rechts (rechts aus seiner Sicht!).
Verarbeitet der Hund Informationen über die emotionale Verfasstheit des Sprechers, will also zum Beispiel herausbekommen "Wie ist der denn drauf?", dann neigt er seinen Kopf mit ebenso hoher Wahrscheinlichkeit nach links.
Literaturliste:
James O'Heare - Die Neuropsychologie des Hundes ISBN 978-3936188462
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